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Zu Besuch bei Smart Villages in Estland und Rumänien

 Von
Anja Muchow
,
12. Juli 2022

Das Smart-Rural-Projekt

Das Europäische Smart-Rural-Projekt lud uns ein, an zwei Austauschtreffen in anderen smarten Regionen Europas teilzunehmen. Gerrit van Doorn reiste nach Virtsu, Estland und Annik Trauzettel nach Remetea, Rumänien. Dort informierten sie sich über die Arbeit vor Ort und tauschten sich mit anderen Aktiven für zukunftsfähige ländliche Entwicklung aus.

Das Smart-Rural-Projekt ist ein zweieinhalbjähriges Projekt, das von der Europäischen Kommission unterstützt wird. Das übergeordnete Ziel ist, Dörfer zu fördern und zu inspirieren, Ansätze und Strategien für zukunftsfähige Dörfer in ganz Europa zu entwickeln und umzusetzen. Daraus werden Schlussfolgerungen gezogen, um die politische Weiterentwicklung „smarter“ ländlicher Regionen zu unterstützen.

Estland

Estland liegt im Norden zwischen Finnland und Russland und hat 1,3 Millionen Einwohner:innen. Es gibt mehr als 2.000 Inseln und mehr als 50% des Landes sind bewaldet. Virtsu liegt 2 Stunden südlich von Tallin an der Nördlichen Ostsee. Es gibt einen kleinen Fischereihafen. In Sovjet-Zeiten beschäftigte die große Fischverarbeitungsfabrik fast 800 Menschen. Die Angestellten und ihre Familien wohnten zum größten Teil in Virtsu. Im Moment leben dort nur noch 500 Personen und das Gebäude von der alten Fabrik steht leer. Die Lage direkt am Meer und eine attraktive Umgebung laden geradezu ein, ein neues Coworking- und Coliving-Projekt zu starten. Leider ist die Anbindung nach Tallinn nicht gut. Deshalb sind Arbeitsplätze vor Ort wichtig. Aus diesem Grund wird viel investiert in schnelles Internet und Online-Zugänge. Möglichkeiten entstehen, auch als Gast:Gästin zu übernachten und vor Ort zu arbeiten.

Das erinntert ein wenig an die Entwicklung vom Ko-Dorf in Wiesenburg. Ähnlich wie in unserem Landkreis stehen die Behörden der Entwicklung positiv gegenüber. Gesetze und viel Arbeitsdruck sorgen jedoch dafür, dass Entscheidungen lange dauern. Investor:innen und Genossenschaften brauchen viel Geduld und auch Geld um ihre Ideen lebendig zu halten. Leider haben die Menschen in der Verwaltung offenbar nicht die Möglichkeit für die regionale Wortschöpfung interessante Projekte in Eilverfahren zu behandeln. Auch die Kolleg:innen aus Lettland und Finnland berichten von ähnlichen Herausforderungen. Die Förderlandschaft in Estland war leider kein gesondertes Thema. Die Schwerpunkte der Regierung wären interessant. Ganz klar ist, dass Digitalisierung in den letzten Jahren Priorität bekommen hat. Die digitale Entwicklung ist in Estland sehr fortgeschritten.

Rumänien

Remetea ist eine kleine Gemeinde mit etwa 6000 Einwohner:innen, die fast ausschließlich der ungarischen Minderheit in Rumänien angehören. Annik Trauzettel war vom herzlichen Empfang begeistert, aber auch davon, wie viele smarte Ideen die Gemeinde hat. Beispielsweise wurde eine Kinderkrippe für Kleinkinder eingerichtet (im ländlichen Rumänien eher ungewöhnlich), damit die Mütter wieder arbeiten gehen können. Diese muss aufgrund großer Nachfrage sogar erweitert werden. Es gibt viele moderne Dorfgemeinschaftseinrichtungen. In der örtlichen Kantine können Schüler:innen, aber auch Angestellte des Rathauses zu Mittag essen. Im Kulturhaus proben die örtlichen Tanz- und Musikgruppen und haben Auftritte, daneben gibt es Gastspiele anderer Theater. Demnächst soll ein moderner Marktplatz eröffnet werden, wo lokale Produzent:innen ohne Gebühr ihre Produkte verkaufen können. Angedacht ist auch eine Art Online-Warenhaus, so dass im Ausland lebende Verwandte für ihre Angehörigen einen Gemüsekorb nach Hause bestellen können, der dann geliefert wird.

Die Einwohner:innen von Remetea profitieren von den Einrichtungen, bringen sich ein und nutzen die Angebote aktiv. Die Kommunikation zwischen Bürger:innen und Verwaltung findet offenbar auf Augenhöhe statt. Tradition und neue Ideen widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich. Der Bürgermeister fasst es so zusammen: Remetea sei gleichzeitig prä-modern, modern und post-modern. Das heißt konkret: Menschen pflegen die alten Traditionen wie Spinnen und Weben von Schafwolle, sind aber aufgeschlossen smarten Neuerungen gegenüber und nehmen diese an.

Fazit

Es war ein spannender Einblick in die anderen Länder, die jeweiligen Herausforderungen in den ländlichen Regionen und das Verständnis von smarten Ideen. Es gab viel Raum für Fragen und Austausch. Gerrit van Doorn und Annik Trauzettel ließen sich inspirieren, erzählten aber auch von Ideen und Erfahrungen aus Brandenburg, die eventuell übertragbar sind. Wir würden uns freuen, in Zukunft auch einmal europäische Partner im Hohen Fläming begrüßen.

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